Der Rahmen war klar gesteckt: Ich wollte einen Regional-Krimi schreiben, der auf Mallorca spielt und die Zielgruppe Frauen 30+ ansprechen soll. Ich flog also nach Mallorca (zu Inspirationszwecken natürlich ;), setzte mich an den Strand und dachte nach. Zwei wichtige Punkte galt es nun zu überlegen: Um welchen Fall sollte es gehen - und wer sind meine Ermittler? Da ich den Roman als Reihe anlegen wollte, war die Frage nach den Ermittlern erst einmal wichtiger.
Die Ermittler - Beruf
Im klassischen Krimi sind Ermittler naturgemäß von Beruf häufig Polizistinnen/Polizisten oder Privatdetektive. Das klingt erst einmal fast langweilig, hat aber dramaturgisch einige Vorteile:
- Wenn meine Krimi-Ermittler von Beruf Polizisten oder Privatdetektivinnen sind, muss ich nicht seitenweise beschreiben, wie und warum sie in einen Fall geraten. Polizisten klären Verbrechen auf, fertig. Der Fall kommt ganz automatisch zu ihnen. Ich muss mir keinen Wolf erklären, warum Person x jetzt anfängt, in einem Mordfall zu ermitteln - obwohl Person x eigentlich von Beruf Friseur ist oder Rentnerin. (Achtung: Bei Thrillern ist dies häufig anders, das erkläre ich in einem der nächsten Blogposts).
- Ein weiterer Vorteil: Wenn ich meinen Krimi als Reihe plane, also mit mehreren Fortsetzungen, ist es dankbar, einen Profi ermitteln zu lassen - eben den Polizisten oder die Privatdetektivin. Denn je öfter ein fachfremder Ermittler an einen Fall gerät, umso schwieriger ist es zu erklären, warum der Friseur, die Rentnerin oder die Kindergärtnerin immer wieder in Morde verwickelt ist. Da habe ich es mit meinem Polizisten leichter, der muss in Mordfällen tätig werden, ist ja sein Job.
- Noch ein Vorteil: Um die Geschichte voranzutreiben, brauchen meine Ermittler auch - Ermittlungserfolge. Ein Polizist hat eine Reihe an Werkzeugen und Kompetenzen zur Verfügung, um hier voranzukommen: Er kann Zeugen befragen, Akteneinsicht nehmen, internationale Polizeidatenbanken anzapfen. Mein fachfremder Ermittler könnte das nicht ohne weiteres. Oder hat dich dein Friseur schon mal gefragt: "Wo waren Sie vergangenen Mittwoch zwischen 13 und 14 Uhr?" - Und: Würdest du da antworten? Eben. Den Friseur oder die Kindergärtnerin ermitteln zu lassen, hat viele Fallstricke - wie kommen die an die Informationen? Das geht schon, muss aber gut erklärt werden, damit die Story glaubwürdig bleibt.
Meine Entscheidung stand bald fest: Ich wählte ein Trio. Zwei Privatermittlerinnen und einen Polizisten. Die Konstellation war wohl überlegt, denn für die geplante Reihe sollten nicht nur die Fälle spannend sein, sondern auch die Beziehungen der Ermittler untereinander. In der Geschichte der Kriminalliteratur gibt es viele Beispiele für Ermittler, die einen oder mehrere Sidekicks haben. Das hat gute Gründe:
Die Ermittler - Sidekicks und Kollegen
- Ein einsamer Ermittler muss - um den Leser an seiner Kombinationsgabe teilhaben zu lassen - entweder Selbstgespräche führen oder viel in der indirekten Rede denken. (Der Gärtner, dachte er. Ja, ich denke, der Gärtner ist der Mörder. Er rührte in seinem Kaffee. Aber wie soll ich ihn überführen, dachte er müde...). Ganz ehrlich, indirekte Rede ist sehr langweilig auf die Dauer. Man ist ständig im Kopf des Ermittlers und dreht sich mit ihm im Kreis.
- Wenn der Ermittler einen Sidekick hat, kann er mit diesem über seine Gedanken und Pläne zur Überführung des Mörders diskutieren. Sherlock Holmes hatte Dr. Watson, Hercule Poirot hatte Hastings, Mikael Blomkvist hatte Lisbeth Salander. Oftmals stehen den Polizei-Ermittlern eine ganze Gruppe von Kolleginnen und Kollegen zur Seite, die bei Reihen mal eine größere, mal eine kleinere Rolle spielen.
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Sidekicks bieten die Möglichkeit zu weiteren Verwicklungen, Konflikten, Beziehungen. Interessant an einem Krimi ist ja nicht nur der Fall, sondern vor allem die Hauptfigur. „Show, don’t tell“, lautet eine alte Storytelling-Regel. Das heißt: Anstatt zu beschreiben, was für ein Mensch die Hauptfigur ist, lass die Figur mit anderen Menschen interagieren.
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Charakterisierung durch Interaktion mit anderen wirkt wesentlich glaubwürdiger und authentischer, als Persönlichkeitsmerkmale immer nur zu behaupten. Das ist zum Beispiel ein Manko der an sich guten Cormoran-Strike-Romane, die Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling unter dem Namen Robert Galbraith veröffentlichte. Strikes Co-Ermittlerin Robin Ellacott wird als ungeheuer clever und selbstbewusst beschrieben. Leider handelt sie nie so. Es bleibt bei der äußeren Beschreibung, bei der Behauptung, was die ganze Figur unglaubwürdig und damit langweilig macht.
- Ermittler und Co-Ermittler sollten so unterschiedlich wie möglich sein. Sherlock ist hyperintelligent und ein Soziopath, Dr. Watson ist ein freundlicher Normalo und hinkt den wilden Gedankensprüngen seines Freundes meilenweit hinterher. Das gibt Holmes immer wieder die Gelegenheit, Watson (und damit dem Leser) den Fall zu erklären. Ein weiteres Superhirn an Holmes' Seite hätte die Story nicht vorangebracht.
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Wenn der Partner über hilfreiche Kenntnisse und Stärken verfügt, geht auch die Ermittlung flotter voran. In den schwedischen Martin-Beck-Krimis hat Kollege Frederik Melander ein fotografisches Gedächtnis. Damit wird den Stockholmer Kommissaren – und den Lesern – stundenlanges Suchen in Archiven erspart. Lisbeth Salander kann wichtige Ermittlungsinfos durch ihre Computerkenntnisse zu Tage fördern, die Mikael Blomkvist alleine niemals gefunden hätte. Es wäre unglaubwürdig, wenn die Hauptfigur sämtliche zum Ermittlungserfolg führenden Superkräfte alleine in sich vereinte. Aber gemeinsam mit einem hilfreichen Partner lässt sich jeder Fall lösen.
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Allerdings sollte dieser Partner die Hauptfigur nicht überflügeln – der Held oder die Heldin ist weiterhin Kern der Geschichte. Ob Polizist, Privatdetektivin oder Ermittler aus Zufall: Die Hauptfigur muss ausreichend aktiv, motiviert und frei agieren können, um die Geschichte voranzutreiben.
Nachdem ich ausreichend am Strand gesessen und nachgedacht hatte, standen die drei Ermittler des Mallorca Krimis "Mandelblütenmord" fest: Johanna Miebach, eine 74 Jahre alte Privatdetektivin, ihre 21-jährige Enkelin Gemma Miebach und Héctor Ballester, 28, Inspector der Policía Nacional aus Palma. Die drei schickte ich nun los in den Fall. Und sie führten recht bald ein Eigenleben, das ich so gar nicht geplant hatte :-)
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